Direkt zum Hauptbereich

der Reiz des V-Tals

Man stelle sich vor: großräumig gleiche Wetterbedingungen, Hochdruckeinfluss, wolkenloser Himmel, in 3000 m dieselben Temperaturen. An solchen Tagen kann man generell (so es nicht Winter ist) getrost einen Temperaturgradienten von etwa 1 °C/100 m annehmen. Die Luft am Boden erwärmt sich von oben her (Strahlung) und auch von unten (Wärme-Absorbtion) und die nächtliche Inverion wird langsam aufgebrochen.
Vergleicht man die erreichten Tageshöchsttemperaturen in Österreich so fällt auf: die größten Werte sind nicht etwa im Flachland erreicht worden, sondern in den engen Gebirgstälern (V-Tälern).
Der Grund darin liegt am Volumeneffekt: Dieselbe Menge an Energie schafft es ein kleineres Volumen (in einem Tal) schneller zu erwärmen als ein Größeres (breitere Täler oder eben im Flachland).
So finden sich unter den Top10 der wärmsten Orte Österreichs ausschließlich von diesem Effekt beeinflusste Messstationen (17:30 MESZ):
1. INNSBRUCK/UNIVERSITAET 22.4
2. LANDECK 22.3
3. IMST 22.0
4. HAIMING 21.3
5. INNSBRUCK-FLUGHAFEN 21.2
6. KITZBUEHEL 20.8
7. MAYRHOFEN 20.8
8. BLUDENZ 20.8
9. JENBACH 20.6
10.PRUTZ 20.6
(Quelle: ZAMG)

Talwindsystem - Alpine pumping
Eine Prüfungsfrage in der ersten Vorlesung meines Studiums lautete: ist man beraten an einem Strahlungstag am Vormittag von Innsbruck nach Telfs mit dem Fahrrad zu fahren oder nachmittags?

Diese Frage wird hier und jetzt erklärt: Bisher gab es in diesem Jahr noch sehr wenige Tage mit voller Sonneneinstrahlung (Strahlungstage), und diese waren meist durch ein südliche Grundströmung und Föhneffekten beeinflusst. Heute und gestern herrschten jedoch ausschließlich schwachwindige Höhenwinde vor (Hochdruckgebieten Kuno und Lancelot sei Dank) und daher konnte sich das Talwindsystem (TWS) prächtig entfalten.
Frühmorgens ist die Welt noch in Ordnung und die Temperaturen im Keller. Es weht Talauswind (im Inntal West, im Wipptal Südost, im Zillertal Süd). Im Laufe des Vormitags erwärmt die Sonne den Talboden, die warme Luft steigt auf (Thermikblasen), reißt unter Umständen kondensierten Wasserdampf aus feuchten Wäldern mit in die Höhe (siehe Thermikwolken gestern Vormittag an der Nordkette) und steigt je nach Stärke des Hangaufwindes über die Gipfel hinweg.
Die 'fehlende' Luft am Talboden (was sich durch Unterdruck äußert) wird jedoch sofort ersetzt. Dadurch dass der Druck im Tal schneller sinkt als im Vorland (weil sich die Luft sich ja auch schneller erwärmt) wird Luft aus dem Alpenvorland ins Tal hineingepumpt. Bis der Taleinwind in Gang kommt vergehen gut und gerne 3 bis 4 Stunden nach Sonnenaufgang (je nach Jahreszeit!). Am Stationsverlauf der Uni-Station (Abb.1 (c) IMGI) kann man sehen, dass sich gestern Dienstag das TWS (Wechsel von West auf Ost) gegen 09 UTC etabliert hat. In Ellbögen ist der Taleinwind gestern um etwa 2 h Stunden nach vorne (im Vergleich zu Innsbruck) verschoben - ein Zeichen dafür.

Auch gut zu erkennen ist, dass das Maximum gestern gegen 16 UTC (18 MESZ) erreicht wurde - also knapp 5 Stunden nach Sonnenhöchststand (ca. 13 MESZ). Das zeigt auch wie 'träge' die Wirkung (Temperatur) im Vergleich zur Ursache (Einstrahlung) ist. Untertags sind dir Druckunterschiede zwischen Tal und Alpenvorland auch größer - damit ist auch der Taleinwind, der diese auszugleichen versucht, stärker als der Talauswind.

Nach Sonnenuntergang kühlen die Hänge langsam ab, von den Gipfeln abwärts fließt die kältere Luft zum Talboden und sammelt sich dort an (Hangabwind). Würde man die Hänge ausklappen hätte man bei gleicher Grundfläche wie im Alpenvorland natürlich eine größere Fläche. Das Tal kühlt sich damit erstens schneller und zweitens stärker ab. Die Erhöhung des Drucks im Tal und damit eine Umkehr des Druckgradienten ist die Folge (gestern um 17 UTC Druckanstieg und ab 19 UTC wieder Talauswind). Daher weht (strahlungs)nachts der Talauswind. Die kalte Luft sammelt sich weiter am Talboden an und es entsteht eine Inversion (oben wärmer als unten - vor allem in den Monaten mit längeren Nächten).


Seit ich das weiß, versuche ich immer am Nachmittag nach Telfs zu radeln.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tragisches Lawinenunglück

Heute Mittag hat sich ein tödliches Lawinenunglück am Sattelberg ereignet. Regelmäßige Leser dieses BLOGs kennen diesen Berg als Messstation des IMGI und daher als oft zitierte Datenquelle. Für viele Sportbegeisterte ist er aber vor allem der erste Tourenberg der Saison: leicht erreichbar, meist schneesicher und einfach zu begehen. Es ist eigentlich undenkbar, dass dort eine Lawine abgeht. In diesem Fall war der Föhn zumindest mit Schuld an der Tragödie. Im gestrigen zweiten Blogposting erwähnte ich den Föhn der mit 108 km/h Spitze am unweit entfernten Kofel wirksam war. Der Sattelberg weist für heute und gestern Windspitzen bis zu 23,9 m/s (86 km/h) bzw 22,1 m/s (80 km/h) auf. Dadurch wurde das bißchen an Schnee, das gefallen war ziemlich verweht. Am Gipfel des Berges liegen somit praktisch nur mehr Schneereste, während sich hingegen im Luv  der verfrachtete Schnee über den bis dato schlecht verbundenn Triebschnee gelegt hat. Erwähnung fand dies auch im heutigen Lawinenlagebericht

Bodennebel in Innshruck

Bodennebel in Innsbruck ist sehr sehr selten. Bei der Nebelbildung geht es immer darum die bestehende Luftmasse soweit abzukühlen, dass sie den Taupunkt erreicht und kondensiert. Das passiert täglich hundertmal: allerdings in der Atmosphäre als Wolken. Dort reichen Aufwinde (beispielsweise an Berghängen) um Wolken zu bilden. Im Tal entsthet Nebel meist in der Nacht, wenn die dortige Luftmasse über Nacht abgekühlt wurde. Bei sternklarer Nacht und starker Auskühlung doch das beste Rezept, oder? Meist weht in sternklaren Nächten jedoch der Talauswind, der jegliche Nebelbildung unterbindet. Grund für den Talauswind sind Druckunterschiede zwischen Tal und Vorland aufgrund unterschiedlich temperierter Luftmassen. Das heißt nur wenn die Luftmassen im Tal und Vorland ausgeglichen sind, die Druckverteilung also flach ist, weht schwacher Wind im Tal. Und das passierte heute Nacht: Die Hänge sind schneebedeckt, und durch die Schneeschmelze ist die Talatmosphäre feucht. Dazu ist der Himmel aufgelo

Schneerekord in Österreich - oder nicht?

  Die Nordalpen versinken in Schnee. Innerhalb von nur 2 Tagen sind lokal über 150 cm Schnee gefallen. Aber ist das nun Rekord?