Die Nordalpen versinken in Schnee. Innerhalb von nur 2 Tagen sind lokal über 150 cm Schnee gefallen. Aber ist das nun Rekord?
In den letzten zweieinnhalb Tagen sind in den Nordalpen extreme Schnemassen zusammengekommen. Von den Kitzbüheler Alpen bis zum Semmering fiel besonders in höheren Lagen über 1 Meter Neuschnee. Eine Station im Steirischen Gesäuse hat sogar 170 cm Schneezuwachs in 2 Tagen registriert. Ist das nun ein Rekord?
Am
Tamischbachturm in der Obersteiermark kamen zwischen Mittwoch und
Freitag (48 Stunden) 170 cm Neuschnee zusammen, davon sind von
Donnerstag bis Freitag 120 cm Schnee gefallen - ein Rekord? Quelle:
lawis.at |
Rekorde, Rekorde
Fast auf den Tag genau vor 37 Jahren ist in Österreich der Neuschneerekord aufgestellt worden. Im Zuge einer massiven Südstaulage hat es am 31. Jänner 1986 in Osttirol zwischen 100 und 170 cm Schnee in nur 24 Stunden gegeben.
Der Wert von Sillian in Osttirol (170 cm) stellt seit damals einen Rekord dar. Ähnlich viel wurde in St Jakob/Defereggen gemessen, hier kamen 130 cm Schnee zusammen. Toblach im benachbarten Südtirol meldete damals 150 cm Neuschnee. Passend fügen sich die Werte aus dem Jahrbuch des Hydrographischen Dienstes 1986 ein. Aus dem Villgratner Tal wurden 125 bis 150 cm Schnee gemeldet (Innrervillgraten und Hochberg), in Lienz immerhin noch 96 cm.
Hydrographisches Jahrbuch 1986 mit Daten zu den Schneeverhältnissen aus dem Winter 1985/86 (bearbeitet) |
Zweifel kommen auf
Im Jahrbuch findet sich bei Sillian allerdings der Eintrag 107 cm und eine Gesamtschneehöhe von 158 cm. Man vermutet sofort einen Zahlendreher beim Übertrag in digitale Systeme. Doch dieser Zweifel wird auf Anfrage bei der ZAMG / GSA bald widerlegt. In Sillian gibt es zwei Stationen. Und an jener der ZAMG (jetzt GSA) wurden 170 cm Neuschnee gemessen. Der Rekordwert scheint also durchaus plausibel.
Schon gewusst?
Neuschnee wird einmal pro Tag in der Früh gemessen. Idealerweise hat man eine ebene Fläche (Messtisch oder -platte) zur Verfügung, die man bei jeder Messung verwendet. Nach der Messung wird diese Fläche "abgewischt" und alles was dann wieder dazu kommt ist Neuschnee. Moderne Messgeräte tasten die Schneedecke zwar alle 10 oder 60 Minuten automatisch ab, aber sie können "Neuschnee" somit weniger gut erfassen.
Hinzu kommt, dass Schnee mit geringer Dichte (80 bis 100 kg/m3) besonders stark von Wind beeinflusst und verfrachtet wird. Das ist mit ein Grund für die inhomogene Höhe einer Schneedecke. Daher muss man Schneemessung bei Windeinfluss generell anzweifeln. In alten Beobachtungsbüchern wird daher empfohlen an mehreren Orten zu messen und dann einen Mittelwert zu ermitteln.
Die ZAMG / GSA hat vor einigen Jahren die Schneerekorde von Österreich veröffentlicht, die noch immer gültig sind. Hier fallen natürlich die Stationen in den Südalpen ins Auge. Mit Holzgau und St. Anton gibt es aber auch zwei Stationen, die an der Alpennordseite liegen. Ein später Schneefall im März 1988 hat dort 116 bzw. 110 cm Neuschnee gebracht.
Quelle ZAMG / GSA |
Ob Rekord oder nicht. Es war dies regional eines der stärksten Schneefallereignisse der letzten 40 Jahre. Und das alleine ist schon bemerkenswert. In Aflenz stellen die 70 cm Neuschnee jedenfalls einen neuen Rekord dar. Der letzt stammt, richtig erraten aus dem Februar 1986!
Ja, das, war das markanteste Schneefallereignis seit dem 20.2.1986
— Roland Reiter (@rolandreiter) February 3, 2023
Schneerekorde und Klimawandel
Wenn Schneerekorde in einen zeitlichen Kontext gestellt werden, bleibt die Frage nach dem Klimawandel nicht weit. Allerdings schließen sich Schneerekorde und ein wärmer werdendes Klima nicht aus. Im Gegenteil: Die Wetterlage bleiben mehr oder weniger dieselben, aber die Umstände ändern sich. Die Luft wird wärmer und kann dadurch mehr Feuchte aufnehmen.
Bei einer entsprechenden Wetterlagen verhält sich die Luft wie eh und je. Sie staut sich, wird zum Aufsteigen gezwungen und kondensiert. Somit können nach wie vor bei den richtigen Temperaturen innerhalb kurzer Zeit große Schneemengen zusammenkommen.
Ende Jänner gab es die Rekordschneefälle auf der Koralpe, im Jänner 2019 extreme Schneemengen von Vorarlberg bis Salzburg. Damals lag auf der Nordkette meterhoch Schnee, die Auswirkungen der daraus resultierenden Lawinen sind an den teils kahlen Nordkettenhängen noch immer zu sehen.
Aber: Die Anzahl der Tage mit Schneedecke wird kürzer. Die Schneedecke in den Tallagen und im Flachland wird weniger mächtig und bis etwa 1200 bis 1500 Meter Höhe fällt im Winterhalbjahr immer häufiger Regen als Schnee. Es wintert später ein und apert früher aus.
Die Anzahl der Skifahrtage in den Skigebieten mag zwar konstant bleiben oder gar wachsen. Aber Fakt ist: ohne technische Beschneiuung geht nichts mehr. Gerade zu Beginn der Saison musste man in den letzten Jahren immer auf Schneekanonen und dergleichen zurückgreifen.
Dennoch kann es einzelne Ereignisse mit großen Schneemengen geben. Auch noch in 10 Jahren und in 20 Jahren. Diese können dann - wie wir jetzt auch sehen - aber extrem werden.
Dank an die Kollegen der GSA/ZAMG und wetterblog.at für die Diskussion im Vorfeld dieses Beitrags