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Massives Unwetter in Innsbruck und Umgebung


Wundervolle Aufnahme von dem herannahenden Monstrum. Die Böenwalze (Arcus) schiebt sich über das Inntal, dahinter macht sich schon der Niederschlagsbereich über Innsbruck her (grauer Schleier). Aufgenommen in Aldrans mit Blickrichtung Nordwesten (Foto: Simon H. - herzlichen Dank!)

Es war Samstagnachmittag, der 2. Juli 2016 16:40, als sich von Westen her das nahende Unheil androhte. Der Himmel verdunkelte sich und dann zog eine massive Gewitterzelle mit Starkregen und kleinkörnigem Hagel über Innsbruck hinweg. Binnen weniger Minuten waren Straßen und Tiefgaragen geflutet, Abflusskanäle überfüllt und kleine Rinnsale verwandelten sich in reißende Ströme. In Unterführungen sammelte sich das Wasser und Autofahrer hatten sofort Mühe sich durch die Fluten zu kämpfen. Am meisten betroffen waren die Stadtteile Pradl, Amras und die Reichenau, weitere Schadensmeldungen kamen dann vor allem aus Rum, Aldrans, Lans und Ampass. An diesem Einkaufssamstag zwischen 16:30 und 17:30 waren natürlich viele im Shoppingcenter DEZ unterwegs, das sogar evakuiert werden musste. Bilder, Videos und andere Meldungen berichten von "monsunartigem Regen", "apokalyptischen Zuständen", "Weltuntergang" und "massiver Gewitterfront". Kein Wunder bei dieser Niederschlagsintensität. Rasch reagierten Feuerwehr, Polizei und Rettung, denn über 700 Notrufe gingen an diesem Nachmittag in die Landeswarnzentrale ein. Ein ähnlich starkes Gewitter gab es zuletzt am 17. Juli 2010 als Teile der Innsbrucker Altstadt unter Wasser standen und es zu einem Schaden von 1,8 Millionen EUR kam (Bericht und Analyse von Felix W., Kurzbericht von mir). Damals gab es neben Starkregen (Raten von umgerechnet bis zu 100 mm/h) auch Hagel (3 bis 5 cm) und im Unterland noch schwere Sturm- und Orkanböen.

Radar- und Satellitenbilder

Satellitenbild vom 2.Juli 2016 von 15:30 bis 17:30 MESZ (Quelle: kachelmannwetter.com, bearbeitet von alpen.wetter via imgflip.com)


Radaranimation von 16:00 bis 17:20 (5-min-Intervall) vom Deutschlandradar (Quelle: kachelmannwetter.com, bearbeitet von alpen.wetter via imgflip.com)

Bilder und Fotos

Blick auf die Vorderseite des Gewitters mit Aldranser Kirche und im Hintergrund Nordkette-Hungerburg (Quelle: tt.com / Alfred Rassbach)

Unter Wasser stand diese Straße bei der Olympiabrücke (Foto: tt.com / Sabrina Unterberger)

Unterführung zwischen DEZ und Kreisverkehr Leiner in Innsbruck Ost (Foto: zeitungsfoto.at)
Sturzflut über eine Treppe in der Geyrstraße/Bichlweg, Innsbruck Amras (Foto: zoom-tirol.at)

Meterhoch stand das Wetter auch beim Schloß Ambras (Foto: zeitungsfoto.at)

Welche Regionen am meisten betroffen waren wieht man hier auf der Übersichtskarte aus der Landeswarnzentrale (Quelle: zeitungsfoto.at)

Webcambilder haben dieses Ereignis auch sehr gut festgehalten, wie hier jene von stefanjud.net in Sistrans.
Die Böenwalze des heranrollenden Gewitters ist sehr gut erkennbar - fast lehrbuchhaft. Die klare, warme Luft (rechts) wird durch die heranströmende Kaltluft (links) zum Aufsteigen gezwungen - dahinter folgt schon der Starkregen. Blick auf Sistrans und dahinter die "Sonnenseite" Innsbrucks mit Hungerburg und den Martha-Dörfern (Quelle: stefanjud.net).


Wolkenformationen der Böenwalze mit Niederschlagsgebiet. Innerhalb von 10 Minuten zog die Gewitterzelle über Innsbruck hinweg - eine ziemliche Dynamik lag hier dahinter.

Messwerte und Niederschlagsanalyse

Belegen kann man dieses Unwetter natürlich neben Fotos auch durch Radarbilder und Wetterwerte. Zu teils schweren Sturmböen kam es in Innsbruck: 94 km/h wurden z.B. am Flughafen gemessen, 86 km/h an der Uni und immerhin noch 72 km/h in Rinn. Das massivere Problem war aber natürlich der Regen. Hier fielen innerhalb einer Stunde

31 mm (Liter/Quadratmeter) in Rinn
ca. 25 mm in Lans
20 mm am Flughafen
18 mm an der Uni
ca. 18 mm in Hall

und nur etwa 7 mm am Patscherkofel.

Spannender sind hier aber die 10-Minuten-Werte (Niederschlagsraten).

Hochzirl 20,9 mm (umgerechnet auf eine Stunde: 126 mm)
Lans 16 mm (96 mm/h)
Innsbruck - Kranebitten 13,8 mm (83 mm/h)
Rinn 13,2 mm (79 mm/h)
Innsbruck - Universität 11,5 mm (69 mm/h)
Hall 14 mm in 15 min (64 mm/h)

Datenquelle: UBIMET, ZAMG, Hydrografisches Amt Tirol

Lage des Messstationen im Raum Innsbruck (blaue Kreise). Am meisten betroffen waren der Osten Innsbrucks, sowie Aldrans, Ampass und Rum (Quelle: screenshot von hydro.tirol.gv.at)

Stationsverlauf Niederschlagsmessungen - Quelle Hydrografischer Dienst Tirol. Achtung: Hier auf die unterschiedlichen Skalen (links) achten.






Anhand der Niederschlagsanalyse sieht man die Zugbahn des Gewitters sehr gut, das sich über Innsbruck noch intensiviert hat (Einfließen aus dem Wipptal, Konvergenz?). Auf dem zweiten Bild ist ganz klar der scharfe Gradient zwischen viel Regen (60 mm) und wenig Regen (unter 10 mm) zu erkennen. Der Osten von Innsbruck und die angrenzenden Gemeinden Rum, Ampass, Aldrans und Lans haben dabei deutlich mehr Regen abbekommen als der Westen und Süden. Das Zentrum der Zelle ist aber dennoch durch die Wetterstationen "durchgerutscht" - Rinn hat in diesem Zeitraum etwa 45 mm abbekommen. Die 10-Minuten-Werte von Lans deuten aber schon an, welche Mengen hochgerechnet gefallen sind. Diese Station lag noch am ehesten in der Nähe des Zentrum des Starkregens.

6-stündiger Niederschlag - aus Radarwerten (Quelle: kachelmannwetter.com)
Niederschlagssumme des 2.7.2016 aus Radarwerten (Quelle: kachelmannwetter.com)

Profi - Information - Wetterlage

Angetrieben durch einen Tiefdruckkomplex über den Britischen Inseln befand sich der Alpenraum in einer südwestlichen Anströmung. Darin eingelagert war eine Kaltfront, die in der Nacht von Samstag (2.7.) auf Sonntag (3.7.) weite Teile der Ostalpen überquert hat. Diese Labilisierung hat (zusammen mit der Alpenüberströmung) gereicht um diese Zelle entstehen und wachsen zu lassen.

Strömungslage in ca. 5500 m Höhe, Analyse von Samstagnachmittag 14:00 Uhr (Quelle: wetter3.de)

Wetterlage mit Isobaren und Fronten am Samstagnachmittag 14:00 MESZ (Quelle: DWD)

Als Maß für den Hebungsprozess zeigt die Verikalbewegung massives Aufsteigen am Samstagabend über Westösterreich. Grund dafür die angesprochene Kaltfront und die orographische Hebung der Luftmasse durch Überströmen der Alpen (Quelle: wetter3.de)
Ein Radiosondenaufstieg von Samstagmorgen darf nicht fehlen. Hier sieht man die feuchte Luft (Taupunkt und Temperatur liegen eng beinander und laufen entlang bzw. parallel der blauen Feuchtadiabate), die Winddrehung mit der Höhe (von West auf Südwest und Süd) und vor allem die Scherung (Windzunahme mit der Höhe) von sehr schwachen Windverhältnissen (unter 10 Knoten) unterhalb des Kammniveaus auf starken Wind in der Höhe (20 bis 30 Knoten auf 5500 bis 6600 m). Desweiteren zeigen die Parameter rechts, dass einiges "im Busch" ist: Showalterindex bei -2,7 (bei unter -3 sind schwere Gewitter möglich), Lifted Index bei -2,2 (unter -2 ist "moderate chance of severe weather"), verfügbare Energie (CAPE) bei 233 kJ/kg und niederschlagbares Wasser (PWAT) bei 35 mm. Der Aufstieg wurde am frühen Morgen durchgeführt, aber dennoch sind die Werte schon sehr hoch (Quelle: http://weather.uwyo.edu).


Eine Analyse der Uni Wien (VERA) zeigt die Feuchtflussdivergenz für den Raum Tirol um 17:00 MESZ. Die Stromlinien des 10m-Windes sind auch dargestellt (Quelle VERA, IMGW).

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