Dieser Tage jähren sich die Lawinenunglücke von Galtür, Vandans und Evolène zum 25. Mal. Was ist damals aus meteorologischer Sicht passiert? Ein Rückblick.
Es gibt solche Ereignisse im Leben, an die sich jede und jeder so ganz für sich erinnert. Der Lawinenwinter 1999 war ein solches.
Ich persönlich kann mich daran erinnern, dass wir im Englisch-Unterricht BBC-Nachrichten geschaut haben. Das war schon mal ganz seltsam, dass im Ausland viel über Österreich berichtet wurde. Das passiert ja nur wenn was Schlimmes passiert. Oder Neujahrskonzert und Sportereignis.
Damals waren (u.a.) die US Black Hawks im Einsatz und haben hunderte Touristen aus den tief verschneiten Tälern geholt. Es gab Schnee, sehr viel Schnee und das Thema Lawinen war für mich und uns als Teenager und Snowboarder sehr plötzlich in den Fokus gerückt.
Was ist passiert?
Die meisten wissen es sofort. Der Lawinenwinter 1999 hat mehrere Dutzend Todesopfer gefordert. Opfer aus halb Europa, da sich zu der Zeit im Februar auch viele Touristen in Frankreich, der Schweiz und Österreich befunden haben.
Mitte Jänner 1999 hat es mit dem ersten Schub Schneefall begonnen. Da war eigentlich alles noch okay, durch die kalten Nächte hat sich die Schneedecke gesetzt und stabilisiert.
Exemplarisch der Stationsverlauf Niederschlag in Langen/Arlberg im gesamten Winter 1998/99 im Vergleich zum Mittel 1991-2020 (kann man leider nicht umstellen). Quelle: GSA |
Mitte Februar kam der aus Nordwesten der nächste Schwung Schnee. Besonders viel hat es erneut in den Französischen Alpen, in der Schweiz und in Westösterreich geschneit.
Da war die Lage teilweise schon prekär. Durch den starken Wind gab es massive Verfrachtungen des Schnees. Seit Ende Jänner herrschte in den Nord- und Zentralalpen fast durchgehend Lawinenwarnstufe 4 bis 5.
Gefahrenstufen in Boden/Lechtal im Winter 1998/99 (Quelle: LWD)
Soviel ist gefallen - eine Einordnung
Damit man eine Einschätzung der Größenordnung bekommt. In Galtür gibt es seit 1895 eine Klimastation. Dort wurden vom 26. Jänner bis 25. Februar 490 Zentimeter Neuschnee gemessen. Allein die 375 cm im Februar entsprechen dem 6-fachen (!) der durchschnittlichen Neuschneemenge in einem Februar. Ende Februar lagen im Dorf auf 1600 m Seehöhe über 2 Meter Schnee.
Und andernorts sah es ähnlich aus. Zwischen dem Bregenzerwald, dem Außerfern und dem Ötztal fiel verbreitet die 3- bis 5-fache Menge Neuschnee.
In Innsbruck gab es 114 cm Neuschnee im Februar 1999, das ist mehr, als in einem durchschnittlichen Winter zusammenkommt. Die Maximale Schneehöhe war damals 66 cm am Flughafen. Das ist die größte Schneehöhe in der Tiroler Landeshauptstadt in den letzten 25 Jahren.
Auf den Bergen - so liest man - waren die Schnemengen noch viel viel größer. Der Schneefall wurde meist von starkem bis stürmischem Nordwestwind begleitet, es waren Unmengen an Triebschnee im Gebirge. Der Lawinenexperte Rudi Mair sprach von Schneehöhen um 10 (!) Meter im Raum Galtür (Grieskopf, Grieskogel, Adamsberg).
Exemplarisch für viele Berge sei hier die Nordkette erwähnt, weitere Stationen finden sich im Jahresbericht des LWD Tirol (siehe Literatur). Bis Ende Jänner ist kaum was passiert, es fiel eigentlich gar nicht so viel Schnee. Es kam zu wenigen Lawinenabgängen und meist herrschte eine geringe Warnstufe zwischen 1 und 3. Danach kamen die Schneemassen und auf der Nordkette wurden über 4 m Schnee gemessen.
Stationsverlauf Nordkette vom Winter 1998/99: Schneehöhe, Neuschnee, Temperatur, Wind, Lawinenabgänge und Gefahrenstufe. Quelle: LWD |
Das Unglück
Ischgl und Galtür im Tiroler Paznauntal. Norden ist unten, die Lawinen kamen von "rechts" (Nordwesten). Quelle: TT/APA |
Die Kritik
Die Tiroler Tageszeitung schrieb ein paar Tage später.
Literatur:
Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (2024): 25 Jahre Lawinenwinter 1999, LINK
Gabl K. (2000): Der Schnee im Februar 1999 im Westen Österreichs aus meteorologischer und klimatologischer Sicht; Wildbach- und Lawinenverbau, Heft 141
Mair R. (2000): Die Lawinenkatastrophe vom Februar 1999 aus der Sicht des Katastrophenschutzes; Wildbach- und Lawinenverbau, Heft 141
OTS (1999): Reaktion der Tirol Werbung auf die Galtür-Berichterstattung im profil 10/99, APA-Meldung
Schweizer, J. (2008): Lawinenprävention in der Schweiz – Entwicklungen seit dem Lawinenwinter 1999 LINK
Tiroler Tageszeitung (1999): 33 Tote, fünf Vermißte: Warnungen unterschätzt? LINK (abgerufen am 23.02.2024)
Wildbach- und Lawinenverbau (2009): Tagsungsband: Lawinenwinter 1999 - Erfahrungen und Konsequenzen in den Alpen, LINK
Wikipedia (2024): Lawinenkatastrophe von Galtür LINK