Direkt zum Hauptbereich

Wie wird der kommende Winter?




Morgenstimmung am Großen Asitz (Salzburgerland) am 21. Oktober 2016 - Quelle: foto-webcam.eu

Die Berggipfel hüllen sich bereits das ein um das andere Mal in winterliches Weiß und die nächste Ladung Neuschnee ist eigentlich schon unterwegs. Wir schreiben zwar erst Mitte Oktober und damit befinden wir uns eigentlich im Herbst - doch einzig die spannende Frage nach dem kommenden Winter beschäftigt uns. Wann kommt der erste RICHTIGE Schnee? Wieviel schneit's heuer? Wird es ein guter Winter (aus Sicht der Schneeliebhaber)?

Diese Fragen lassen sich natürlich nicht ganz so einfach beantworten, denn wenn es einfach wäre, wäre es nicht Meteorologie. Geht es nach dem Handel, kommt der Winter ohnehin bald (Stichwort: Weihnachtsdekoration). Auch der Tourismus scharrt schon in den Startlöchern, an diesem Wochenende geht das traditionelle Saisonopening des Alpinen Skiweltcups in Sölden über die Bühne. Offizieller Winterbeginn ist für uns Meteorologen traditionell der 1. Dezember und bei den Astronomen sogar erst kurz vor Weihnachten am 21. Dezember.






Obergurgl am 10. Oktober 2016 mit 25 cm Neuschnee (Quelle: http://www.webcam.hotelalpenland.at/

El Nino und La Nina

Und doch will man jetzt schon ansatzweise wissen wie der kommende Winter nun wird. Die Vorgänge in der Atmosphäre sind nichtlinear und Prognosen über mehrere Wochen hinaus daher mehr als unsicher. Aber es gibt Oszillationen (Schwingungen) wie die ENSO (El Nino Southern Oscillation) oder den NAO (Northern Atlantic Oscillation), die ein Maß für Druckschwankungen sind.



Weltweite Auswirkungen von La Nina. Während Amerika, Asien und Ozeanien sehr stark beeinflusst sind, gibt es für Europa kaum nennenswerte Muster (Quelle: NOAA Climate.gov)

El Nino bzw. La Nina beeinflussen den NAO und dieser hängt wiederum mit den überwiegend vorherrschenden Wetterlagen in Europa zusammen. Man kann also Aussagen darüber treffen ob die kommenden Monate tendenziell eher zu warm/kalt oder zu trocken/nass ausfallen. Tendenziell ist es auch möglich zwischen der Alpennord- und der südseite zu unterscheiden.

Nach dem sehr starken El-Nino-Jahr 2015/16 befinden wir uns gerade im Übergang zu La Nina (untere Grafik), dem Gegenstück zu El Nino. Prognosen der NOAA zeigen ein Fortbestehen von La Nina über den ganzen Winter hinweg (HIER die Vorhersage).








Verteilung der Wahrscheinlichkeitsklassen von La Nina / El Nino und Neutral, Berechnungsstand 19.10.2016 (Quelle: NOAA)


Der Oceanic Nino Index (ONI) von 1950 bis 2016. Positive Indices bedeuten ein Auftreten von El Nino, negative eben La Nina. 2015/16 gab es einen der stärksten El Ninos seit Beginn der Aufzeichnungen (rot markiert) und wenn man in die Historie blickt, folgte meistens darauf ein starkes La-Nina-Ereignis (blau). Quelle: http://ggweather.com/enso/oni.htm




Was bedeutet La Nina nun für das Wetter in Europa? Nun, zunächst sei angemerkt, dass es wenig Beispiele für La Nina gibt - die stärksten La-Nina-Jahre waren 1950, 1955, 1970, 1973, 1975, 1988, 1998, 1999, 2007, 2010 bzw. noch den darauf folgenden Winter (Quelle: NCEP, NOAA). Das britische MetOffice schrieb dazu (Artikel):
During La Niña the tendency in late winter is for a positive North Atlantic Oscillation pressure pattern, with mild conditions in northern Europe and the UK and cold conditions in southern Europe (Brönnimann et al., 2007; Moron and Gouirand, 2003). The opposite signal - cold late-winter conditions for the Northern Europe region - is associated with El Niño years. Of course, in any individual year the observed climate anomaly over a region will likely be a complex combination of many factors, of which ENSO is just one.

Kurzum: tendenziell bewirkt La Nina einen positiven NAO, also eine deutlich ausgeprägtere Westströmung über dem Atlantik. Aber: in jedem einzelnen Jahr gibt es sehr viele Faktoren, die aufeinander einwirken und ENSO ist nur eine davon.

Der NAO-Index

Nun kommt eben neben La Nina auch noch der NAO ins Spiel. Er gibt im wesentlichen die Stärke der Westwindrift über dem Atlantik an. Je stärker Azorenhoch und Islandtief ausgeprägt sind, desto stärker ist die Westwinddrift und desto mehr dominieren Westwetterlagen (feuchte, milde Winter). In dieser Masterthesis von Judith Homann (2015) wird der Einfluss des NAO auf den Winterniederschlag in den Alpen untersucht. Eine starke Westwinddrift (NAO+) hat zur Folge, dass im Südalpenraum weniger Niederschlag als im Mittel fällt, während die Regionen nördlich des Alpenhauptkamms durchschnittliche Niederschlagsmengen abbekommen. Es gibt jedoch, wie die Untersuchungen zeigen, generell eine geringe Korrelation zwischen dem NAO und dem Winterniederschlag. Ein Grund mag auch darin liegen, dass die Ostalpen quasi parallel zur (West-)Strömung liegen und es dadurch kaum zu Staueffekten bei dieser dominierenden Strömungslage kommt.



Schema des NAO, positiver Index (oben) bedeutet einen stark ausgeprägten Jet Stream und ein negativer Index (unten) eine stärker mäandrierende Strömung mit Blockinglage (Quelle: http://www.newx-forecasts.com/nao.htmlhttp://www.newx-forecasts.com/nao.html)

#Ergänzung 25. Oktober

Aktuell befinden wir uns in der Situation, dass die Azoren unter Tiefdruckeinfluss stehen und in Island sogar relativ höherer Druck vorherrscht (NAO-). Die Westwindzirkulation ist "stark gestört", wie man auf dem unteren Bild sehen kann, und die Alpen befinden sich unter einer straffen (föhnigen) Südwestströmung. Diese Konfiguration muss somit also erst einmal aufgebrochen werden. Wahrscheinlich passiert das aber erst Mitte November.


Strömungslage auf knapp 10.000 m, GFS Analyse vom 25.Oktober 00 UTC (Quelle: ertel2.uibk.ac.at)


Saisonprognosen - wie wird der Winter?

Nun wissen wir aber noch lange nicht wie der Winter wird, vor allem weil der Zusammenhang zwischen La Nina, NAO und dem Niederschlag in den Alpen doch sehr komplex ist und nicht unbedingt miteinander stark korreliert.
Die gängigen Saisonprognosemodelle tun aber genau das: Sie berechnen die aktuelle Stärke und Schwäche der Indizes auf Basis der weltweiten Teleconnections (Verknüpfungen). So rechnet das Europäische Modell für die Wintermonate wie folgt (kombiniert mit einem dynamischen Downscaling und einem gekoppelten Atmosphäre-Ozean-Modell abrufbar unter http://www.seevccc.rs). Auf der Webseite sieht man im Detail die einzelnen Monate, hier ist der Einfachheit halber der gesamte Winter abgebildet. Ein wesentlicher Punkt, der sich in allen Monaten wiederfindet: Die Alpennordseite wird tendenziell zu feucht gerechnet und die Alpensüdseite zu trocken.
Dazu wird es in allen Monaten durchwegs wärmer als im Mittel sein, besonders südlich der Alpen. Entsprechend dem Mittel könnten die Monate Dezember, Jänner und Februar jedoch entlang des Alpenhauptkamms verlaufen.








Zu einer teilweise ähnlichen Vorhersage kommt die NOAA mit ihrem (weniger hoch aufgelösten) Climate Forecast System (CFS). Relativ neutral sieht dort die Niederschlagsvorhersage im Alpenraum aus, betrachtet man aber den gesamten Kontinent so fallen einem die zu feuchten Regionen in den Weststaulagen auf (Britische Inseln, Südnordwegen, Atlantikküsten von Frankreich und Spanien sowie die Französischen Alpen). Ein klares Indiz dafür, dass das CFS mit einer starken Westwindzirkulation und einem NAO+ rechnet. Zu trocken sehen hingegen die Regionen vom Balkan bis in den Nahen Osten aus.

Etwas eindeutiger ist die Temperaturprognose. Praktisch der gesamte Kontinent wird einen zu milden Winter erleben - und auch das zieht sich wohl durch alle Monate.
Nach dieser Vorhersage wird es im Alpenraum im Schnitt um ein bis zwei Grad zu warm sein, im Vergleich zum Mittel 1999-2010. Und diese Winter waren ohnehin schon die wärmsten der letzten 250 Jahre.

Sonstige Prognosen

Die Winterprognose des amerikanischen Wetterdienstes accuweather, seines Zeichens einer der größten am privaten Sektor, schreibt zu den Alpen nicht viel:




"Prior to the late-season storms, winter will be mild with above-normal temperatures predicted during December and much of January with below-normal snowfall in the mountains."

"...While the lower elevations of the Alps will experience rainfall as mild air dominates, higher elevations and ski resorts can expect significant late-season snow that will likely result in an extended season."



Übersetzt (im doppelten Sinne) heißt das: der Winter kommt spät und es wird eher mild. Die Skigebiete bekommen erst gegen Ende der Saison viel Schnee.




Interessante Strömungslage, die uns accuweather präsentiert. Im wesentlichen sind auch die Prognosen des EC und des CFS abgedeckt mit der Trockenheit im nördlichen Mittelmeerraum/Alpensüdseite und der Warmluftzunge vom Balkan bis in den Nahen Osten. Die Zugbahn der (Sturm-)tiefs wird angedeutet mit "wind threats" und "flooding risk late", im Text heißt es "...From late January through February, the primary storm track will shift southward guiding frequent storm systems into France. The risk for flooding will extend from northern Spain through southern France and into the Alps."
Mit der Prognose "Anzahl der Tage mit Schnee oder Eis" (eine nähere Definition gibt es nicht lehnt man sich bei accuweather nicht gerade weit aus dem Fenster. München gibt man 40 solcher Tage. Im Klimamittel  - sagt das Statistische Amt München (PDF) - bekommt die Weißwurschtmetropole 25,4 Eistage (Maximum unter 0 Grad für den Zeitraum 1961-1990, 23,4 Eistage 1990-2011) und 45,4 Tage mit Schnee (Schneedecke größer 1 cm, Zeitraum 1990 - 2011). Nach der Definition "Tage mit Eis oder Schnee" bekommt München also einen äußerst milden Winter wie z.B. 2006/07. Grafik Quelle: accuweather.com







Zusammenfassung / Fazit

Nach den letzten Modellberechnungen wird La Nina in den nächsten Monaten recht dominant sein und damit geht wahrscheinlich auch ein positiver NAO (NAO+) einher. Tendenziell bekommt Europa somit einen milden Westwetterwinter mit viel Niederschlag in den Weststaulagen und eher trockenen Bedingungen im Mittelmeerraum. Gestützt werden diese Prognosen aktuell auch von den Saisonvorhersagen der Amerikanischen Wetterbehörde NOAA und des ECMWF.


Für die Alpen heißt das:
  • zu mild für reichlich Schnee in den Tallagen (wie auch in den letzten drei Wintern, siehe hier).
  • tendenziell mehr Schnee vom Bregenzerwald über den Arlberg bis ins Außerfern
  • tendenziell weniger Schnee vom Inntal südwärts
  • unsicher ist wieviel Schnee die Gletscherregionen abbekommen



Aber: dieses gemittelten Langfristprognosen bedeuten nicht, dass es nicht doch einmal zu einem Kaltlufteinbruch aus höheren Breiten kommen kann. Und dabei reichen zwei Wochen aus, in denen reichlich Schnee bis in die Tallagen fallen kann. Es bleibt also noch reichlich Platz für Spekulationen.




Beliebte Posts aus diesem Blog

Tragisches Lawinenunglück

Heute Mittag hat sich ein tödliches Lawinenunglück am Sattelberg ereignet. Regelmäßige Leser dieses BLOGs kennen diesen Berg als Messstation des IMGI und daher als oft zitierte Datenquelle. Für viele Sportbegeisterte ist er aber vor allem der erste Tourenberg der Saison: leicht erreichbar, meist schneesicher und einfach zu begehen. Es ist eigentlich undenkbar, dass dort eine Lawine abgeht. In diesem Fall war der Föhn zumindest mit Schuld an der Tragödie. Im gestrigen zweiten Blogposting erwähnte ich den Föhn der mit 108 km/h Spitze am unweit entfernten Kofel wirksam war. Der Sattelberg weist für heute und gestern Windspitzen bis zu 23,9 m/s (86 km/h) bzw 22,1 m/s (80 km/h) auf. Dadurch wurde das bißchen an Schnee, das gefallen war ziemlich verweht. Am Gipfel des Berges liegen somit praktisch nur mehr Schneereste, während sich hingegen im Luv  der verfrachtete Schnee über den bis dato schlecht verbundenn Triebschnee gelegt hat. Erwähnung fand dies auch im heutigen Lawinenlagebericht

Bodennebel in Innshruck

Bodennebel in Innsbruck ist sehr sehr selten. Bei der Nebelbildung geht es immer darum die bestehende Luftmasse soweit abzukühlen, dass sie den Taupunkt erreicht und kondensiert. Das passiert täglich hundertmal: allerdings in der Atmosphäre als Wolken. Dort reichen Aufwinde (beispielsweise an Berghängen) um Wolken zu bilden. Im Tal entsthet Nebel meist in der Nacht, wenn die dortige Luftmasse über Nacht abgekühlt wurde. Bei sternklarer Nacht und starker Auskühlung doch das beste Rezept, oder? Meist weht in sternklaren Nächten jedoch der Talauswind, der jegliche Nebelbildung unterbindet. Grund für den Talauswind sind Druckunterschiede zwischen Tal und Vorland aufgrund unterschiedlich temperierter Luftmassen. Das heißt nur wenn die Luftmassen im Tal und Vorland ausgeglichen sind, die Druckverteilung also flach ist, weht schwacher Wind im Tal. Und das passierte heute Nacht: Die Hänge sind schneebedeckt, und durch die Schneeschmelze ist die Talatmosphäre feucht. Dazu ist der Himmel aufgelo

Schneerekord in Österreich - oder nicht?

  Die Nordalpen versinken in Schnee. Innerhalb von nur 2 Tagen sind lokal über 150 cm Schnee gefallen. Aber ist das nun Rekord?