Direkt zum Hauptbereich

236 km/h - heftiger Föhnorkan auf den Bergen

Spitzenböen am 10./11. Dezember 2017 während der Hauptphase des Föhnereignisses. Daten mancher ZAMG- und aller ACG-Stationen werden wenn möglich nachgereicht, Sattelberg und Lizumer Boden lieferten keine Daten (Quelle: lawis.at, ZAMG, Grafik alpen.wetter)

Ein denkwürdiges, wie historisches Ereignis liegt hinter uns. Ein Ereignis, von dem man im Tal - zumindest im Raum Innsbruck - eigentlich gar nicht so viel mitbekommen hat. Ein, zwei Tage lang ist alles mögliche durch die Gegend geflogen und der Schnee schmolz dahin, aber das tut es bei vielen Föhnereignissen. Was war diesmal anders?
Am Patscherkofel wurden an die 176 km/h Böen verzeichnet. Das allein ist zwar bemerkenswert - es kommt wohl ein bis zwei Mal im Jahr vor - aber noch kein Rekord. An der Wetterstation des LWD auf der Elferspitze im Stubai waren es schon 236 km/h (siehe Grafik oben und Tabelle unten). Den Vogel abgeschossen hat aber die Station am Feuersang auf knapp 2.100 m in den Hohen Tauern. Die Wetterstation, die in Kooperation zwischen den ÖBB und UBIMET errichtet wurde, hat sage und schreibe 249 km/h gemessen, bevor sie den Geist aufgab ...



Weitere nennenswerte Windmaxima

Feuersang (2.141 m, ÖBB/UBIMET) 249 km/h (sehr wahrscheinlich höchste je in Österreich gemessene Windgeschwindigkeit!)
Zugspitze (DWD) 180 km/h
Rudolfshütte (ZAMG) 165 km/h
Sonnblick (ZAMG) 165 km/h
Bad Gastein (ZAMG) 119 km/h (Stationsrekord)

Die Föhnströmung war dieses Mal so speziell, das auch andere, weniger winderprobte Regionen Orkanböen abbekommen haben. Wie z.B. der Süden Kärntens und der Steiermark, wo der berüchtigte Südwind Jauk heißt. In Deutschlandsberg (St) waren es 125 km/h (Stationsrekord!) und in Ferlach (K) 122 km/h (Stationsrekord und fast Bundeslandrekord). Im Zuge des Starkregens kam es dort auch zu Überflutungen.



Stationsdaten (Quellen: LWD / ZAMG)

Mehr als 200 km/h ist in der Skala nicht abzulesen, es waren 236 km/h (Quelle: lawis.at)


Raum Innsbruck

Die Messmission PIANO mit all seinen Stationen und Geräten kommt auch dem rechercheaffinen Meteorologen zu Gute. Man sieht in der unteren Abbildung die extreme Föhnströmung aus Süd (35 bis 40 Knoten) oberhalb von Innsbruck durch das LIDAR. Am 10. Dezember hat es der Föhn nur für kurze Zeit geschafft durchzubrechen, es gab auch nur knapp +2 Grad Maxium. Am 11. Dezember (Montag) war der Kaltluftsee nicht mehr so massiv (-1 statt -8 Grad) und der Föhn hatte es leichter. Mit 74 bis 80 km/h waren die Böen in Innsbruck (an den offiziellen Stationen Uni und Flughafen) aber nicht so stark, am Hauptbahnhof (ZAMG) und am Butterer Bichl (ACG) waren es schon knapp 90 km/h und im Olympischen Dorf (ZAMG) sage und schreibe 131 km/h. In der Umgebung (Wipptalausgang/östliches Mittelgebirge) gab es weitaus stärkere Böen als im Westen Innsbrucks (Ellbögen 99 km/h, Igls 104 km/h, Sistrans 119 km/h). Dieses Phänomen konnte man bereits bei dem Föhnereignis Anfang März in Innsbruck beobachten. Anstatt mit Brachialgewalt in sämtliche Teile der Stadt durchzubrechen, wurden die heftigsten Böen im Osten Innsbrucks gemessen.





Wetterlage

Ausschlaggebend für den Föhnorkan war natürlich die markante Südwestanströmung über den Alpen mit dem Maximum der Böen und des Druckgradients (+15 hPa zwischen Innsbruck und Bozen) am Montagnachmittag (11.12.). Sämtliche Karten (Quelle: ertel2.uibk.ac.a.t/ACINN) geben das eindrucksvoll wieder.

11.12.2017 07:00 MEZ : Bozen 1002 // Innsbruck 990 // München 988 hPa
11.12.2017 10:00 MEZ : Bozen 1001 // Innsbruck 989 // München 986 hPa 
11.12.2017 13:00 MEZ : Bozen 999 // Innsbruck 986 // München 983 hPa
11.12.2017 16:00 MEZ : Bozen 998 // Innsbruck 987  // München 982 hPa
11.12.2017 19:00 MEZ : Bozen 998 // Innsbruck 988  // München 987 hPa
11.12.2017 22:00 MEZ : Bozen 997 // Innsbruck 989  // München 991 hPa




Beliebte Posts aus diesem Blog

Tragisches Lawinenunglück

Heute Mittag hat sich ein tödliches Lawinenunglück am Sattelberg ereignet. Regelmäßige Leser dieses BLOGs kennen diesen Berg als Messstation des IMGI und daher als oft zitierte Datenquelle. Für viele Sportbegeisterte ist er aber vor allem der erste Tourenberg der Saison: leicht erreichbar, meist schneesicher und einfach zu begehen. Es ist eigentlich undenkbar, dass dort eine Lawine abgeht. In diesem Fall war der Föhn zumindest mit Schuld an der Tragödie. Im gestrigen zweiten Blogposting erwähnte ich den Föhn der mit 108 km/h Spitze am unweit entfernten Kofel wirksam war. Der Sattelberg weist für heute und gestern Windspitzen bis zu 23,9 m/s (86 km/h) bzw 22,1 m/s (80 km/h) auf. Dadurch wurde das bißchen an Schnee, das gefallen war ziemlich verweht. Am Gipfel des Berges liegen somit praktisch nur mehr Schneereste, während sich hingegen im Luv  der verfrachtete Schnee über den bis dato schlecht verbundenn Triebschnee gelegt hat. Erwähnung fand dies auch im heutigen Lawinenlagebericht

Bodennebel in Innshruck

Bodennebel in Innsbruck ist sehr sehr selten. Bei der Nebelbildung geht es immer darum die bestehende Luftmasse soweit abzukühlen, dass sie den Taupunkt erreicht und kondensiert. Das passiert täglich hundertmal: allerdings in der Atmosphäre als Wolken. Dort reichen Aufwinde (beispielsweise an Berghängen) um Wolken zu bilden. Im Tal entsthet Nebel meist in der Nacht, wenn die dortige Luftmasse über Nacht abgekühlt wurde. Bei sternklarer Nacht und starker Auskühlung doch das beste Rezept, oder? Meist weht in sternklaren Nächten jedoch der Talauswind, der jegliche Nebelbildung unterbindet. Grund für den Talauswind sind Druckunterschiede zwischen Tal und Vorland aufgrund unterschiedlich temperierter Luftmassen. Das heißt nur wenn die Luftmassen im Tal und Vorland ausgeglichen sind, die Druckverteilung also flach ist, weht schwacher Wind im Tal. Und das passierte heute Nacht: Die Hänge sind schneebedeckt, und durch die Schneeschmelze ist die Talatmosphäre feucht. Dazu ist der Himmel aufgelo

Schneerekord in Österreich - oder nicht?

  Die Nordalpen versinken in Schnee. Innerhalb von nur 2 Tagen sind lokal über 150 cm Schnee gefallen. Aber ist das nun Rekord?